Medikamentöse Therapie des M. Parkinson
3.1. L-Dopa
Die Hauptbeschwerden wie Steifheit (Rigor), Zittern (Tremor) und verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) bei Patienten mit M. Parkinson sind im Wesentlichen durch einen Verlust von dem Botenstoff Dopamin im Gehirn hervorgerufen. Daher liegt es nahe, durch die Einnahme von Dopamin diesen Verlust auszugleichen. Dopamin kann jedoch nicht die Grenze zwischen den Blutgefäßen und Gehirn überwinden, daher muss eine Vorstufe gegeben werden (L-Dopa), die erst im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird. Damit L-Dopa nicht bereits im Körper zu Dopamin umgewandelt wird und z.B. im Magen-Darm Trakt wirkt und zu Übelkeit und Erbrechen führt, wird dieses Medikament mit sogenannten peripheren Dopa-Decarboxylase-Hemmern kombiniert. Diese sorgen dafür, dass Dopamin im Körper noch nicht zu der aktiven, wirksamen Form umgewandelt wird, die unerwünschte Nebenwirkungen machen würde. Der sogenannte Decarboxylase Hemmer kann nicht in das Gehirn eindringen, wohl aber L-Dopa. Daher schränken die peripheren Decarboxylase-Hemmer die Wirkung von L-Dopa im Gehirn nicht ein. Momentan werden in Deutschland Carbidopa (z.B. in Nacom ®) und Benserazid (z.B. in Madopar®) mit L-Dopa im Verhältnis 1:4 kombiniert. Daraus ergeben sich z.B. für 100mg L-Dopa Mischungen in einer Tablette von 100mg L-Dopa und 25mg Carbidopa (100/25).
L-Dopa wirkt nach wie vor im Vergleich zu allen anderen Medikamenten am Besten auf die Parkinson-Symptomatik. L-Dopa war bei seiner Entdeckung und dem ersten Einsatz ein Meilenstein in der Parkinson-Therapie und führte zu einer dramatischen Verbesserung von Lebenserwartung und Lebensqualität von Parkinson-Patienten. Leider hat dieses Medikament auch Langzeitnebenwirkungen, die insbesondere in der Therapie von jungen Patienten zu einer Zurückhaltung in den ersten Krankheitsjahren führen sollte: Gerade junge Patienten können nach einigen Jahren unter der Therapie mit L-Dopa ein sogenanntes „L-Dopa Langzeitsyndrom“ entwickeln. Bei diesem Syndrom kommt es zu überschießenden Bewegungen der Patienten (Hyperkinesen) in der Phase der vollen Wirkung der Medikamente (peak-dose Hyperkinesen) oder beim Einsetzen/Abklingen der Wirkung (bi-phasische Dyskinesien). Die Phasen der guten Beweglichkeit zeigen sich im raschen Wechsel zu Phasen schlechter Beweglichkeit mit teilweise schmerzhaften Verkrampfungen der Muskulatur. Bei älteren Patienten sind die Langzeitnebenwirkungen seltener zu beobachten, dagegen treten mitunter Trugwahrnehmungen (Halluzinationen) auf, die bis hin zu Verfolgungsideen gehen können. L-Dopa kann ferner zu einem Abfall des Blutdrucks führen, was bei vielen Patienten eine Verringerung der Bluthochdruck-Medikation ermöglicht. Momentan gehen Neurologen und Wissenschaftler davon aus, dass die Überbewegungen wesentlich von der Tagesdosis von L-Dopa abhängt: Wahrscheinlich sind erst Dosierungen über 300-400mg/Tag mit einem erhöhten Risiko für Überbewegungen verbunden.
In der Langzeittherapie hat sich gerade in den letzten Jahren gezeigt, dass Patienten unter der Therapie mit L-Dopa sehr gute Ergebnisse in Bezug auf Langzeit-Behinderung, Sterblichkeit und Alltagstauglichkeit haben. Dies gilt insbesondere auch im direkten Vergleich zu Patienten, die primär mit Dopaminagonisten behandelt wurden. L-Dopa wird daher bei jüngeren Patienten zurückhaltender eingesetzt, aber nicht mehr, wie in vorangegangenen Jahren um jeden Preis vermieden. Ein drohender Verlust der Alltagsfähigkeit z.B. in Beruf und Familie zu funktionieren oder auch erhebliche Nebenwirkungen der Dopaminagonisten sind gute Gründe auch bei jüngeren Patienten L-Dopa in moderaten Dosierungen einzusetzen.
Retardierte L-Dopa Präparate erlauben über eine verzögerte Freigabe von L-Dopa aus der Tablette eine verlängerte, wenn auch unsicherere Wirkung. Gerade für die Nacht sind diese Präparate (z.B. Nacom retard ®, Madopar depot®) eine sinnvolle Ergänzung, um nächtliche Phasen der Unterbeweglichkeit zu vermeiden.
3.2. COMT-Hemmer
Die Therapie mit L-Dopa sollte spätestens wenn die Wirkung der Medikamente nur noch kurz anhält, versucht werden mit einem COMT-Hemmer zu kombinieren. Dies sind Medikamente, die den Abbau von L-Dopa blockieren und damit L-Dopa länger und effektiver wirken lassen. Derzeit sind im Wesentlichen zwei Wirkstoffe in Deutschland vorhanden: Entacapone (Comtess®, ebenso in Kombination in Stalevo®) und Tolcapone (Tasmar®). Beide Wirkstoffe hemmen ein Enzym, das C-O-Methyl-Transferase (COMT) heißt und L-Dopa abbaut. Neben der Wirkung im Körper wirkt Tolcapone zusätzlich auch innerhalb des Gehirns. Entacapone ist in einer direkten Kombination mit L-Dopa erhältlich(Stalevo®), die eine zeitgleiche effektive Aufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt mit sich bringt. Entacapone und Tolcapone können als unerwünschte Nebenwirkung Durchfall, aber auch Leberveränderungen mit sich bringen, die v.a. bei Tolcapone eine regelmäßige Kontrolle von Leberwerten notwendig machen.
COMT-Hemmer sollten nach den DGN-Leitlinien von 2012 v.a. dann eingesetzt werden, wenn die Wirkung einer Tablette nicht mehr bis zum Wirkungseintritt der nächsten Tablette reicht (Wearing OFF). Derzeit gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, COMT-Hemmer früher einzusetzen.
3.3. Anticholinergika
Medikamente aus der Gruppe der Anticholinergika haben inzwischen eine sehr untergeordnete Rolle in der medikamentösen Therapie des M. Parkinson. Sie haben leider bei Patienten mit Störung von Konzentration und Gedächtnis oft eine weitere Verschlechterung zur Folge. Zudem ist bei Patienten mit Problemen von Herz und Kreislauf eine Wirkung z.B. auf den Herzschlag zu verzeichnen. Eingesetzt werden derzeit in Deutschland v.a. noch Biperiden (Akineton®), Metixen (Tremarit®), Bornaprin (Sormodren®) und Trihexyphenidyl (Artane®). Diese Medikamente zeigen mitunter eine recht gute Wirkung auf den Parkinson-Tremor, den außerordentlich lästigen Speichelfluss und mitunter auch auf Steifheit und Unterbeweglichkeit.
3.4. NMDA-Antagonisten
In der Gruppe der NMDA-Antagonisten kommen im klinischen Alltag zur Therapie des M. Parkinson v.a. Amantadinsalze zum Einsatz (z.B. PK-Merz®). Die Amantadinsalze wirken nicht direkt über den Botenstoff Dopamin im Gehirn, sondern v.a. über eine Blockade des sogenannten NMDA-Rezeptors. Die Wirkung auf die Parkinson-Symptomatik liegt v.a. in einer leichten Verbesserung von Zittern, Steifigkeit und Verlangsamung der Bewegung. Bei einigen Patienten lässt sich ebenfalls ein positiver Effekt auf die Gangstörung, mitunter sogar auf Gehblockaden (Freezing) erzielen. In späteren Krankheitsstadien kann man bei Patienten mit Überbewegungen unter Amantadin einen Rückgang dieser mitunter sehr lästigen Beschwerden beobachten. Amantadinsalze haben den Nebeneffekt, dass Patienten sich oft wacher fühlen, auf der anderen Seite aber auch bei Einnahme nach 15.00h am Abend schlechter einschlafen. Daher sollte die letzte Einnahme nicht nach 15.00h erfolgen. Nebenwirkungen von Amantadinsalzen sind v.a. Verwirrtheitszustände, Blutdruckabfälle und Halluzinationen, die leider auch bei einem schnellen Absetzen von Amantadin Tage bis Wochen anhalten können. Daher ist dieses Medikament bei älteren Patienten mit Störungen von Konzentration und Gedächtnis nur vorsichtig einzusetzen und langsam ein- und auszudosieren.
Ein weiterer selten verwendeter NMDA Rezeptor Antagonist mit Einfluss auf viele andere Überträgerstoffe im Gehirn ist Budipin (Parkinsan®). Dieses Medikament hat zwar eine mitunter beeindruckende Wirkung auf den Tremor, erfordert aber engmaschige Kontrollen von Blutbild und EKG. Es sollte daher nur unter strengen Kontrollen bei Patienten ohne andere Therapiemöglichkeiten eingesetzt werden.
3.5. Dopaminagonisten
Die Dopaminagonisten stellen neben L-Dopa die wesentliche „Säule“ der medikamentösen Therapie des M. Parkinson dar. Das Wirkprinzip liegt darin, dass der bei den Parkinson-Patienten vorhandene Verlust von Dopamin zu einer verminderten Aktivierung an den Wirkorten (Rezeptoren) des Dopamins im Wesentlichen in einer Hirnregion vorkommt, die als „Striatum“ bezeichnet wird. Diese fehlende Wirkung versuchen die Dopaminagonisten dadurch auszugleichen, dass sie an den unterschiedlichen Dopamin-Rezeptoren ankoppeln und damit die Wirkung des verlorengegangenen Dopamin imitieren.
Dopaminagonisten kommen v.a. bei jungen Patienten zum Einsatz, da sie im Vergleich zu der Therapie mit L-Dopa (s.o.) deutlich weniger häufig zu langfristigen Komplikationen wie dem „L-Dopa-Langzeitsyndrom“ führen. Dieses Syndrom beschreibt bei jungen Patienten das Auftreten von Überbewegungen und Steifigkeit auf die langjährige Einnahme von Parkinson-Medikation. Bei älteren Patienten ist die Gefahr der Entwicklung von Langzeitkomplikationen dieser Art geringer. Da zudem die Wirkung fast aller Dopaminagonisten hinter der Wirkung von L-Dopa zurückbleibt, ist bei Patienten jenseits des 70. Lebensjahres oft ein kombinierter Einsatz von Dopaminagonisten und L-Dopa sinnvoll.
Die typischen Nebenwirkungen von Dopaminagonisten sind nicht wesentlich unterschiedlich für die verschiedenen erhältlichen Präparate. Patienten, die Nebenwirkungen unter Dopaminagonisten bekommen, klagen oft über Übelkeit und Unwohlsein, mitunter eine schwer kontrollierbare Tagesmüdigkeit mit dem Drang plötzlich einzuschlafen und gelegentlich auch ein Anschwellen der Knöchel. Gerade bei Patienten mit Störungen von Konzentration und Gedächtnis können Dopaminagonisten zu Verwirrtheit und Halluzinationen führen. Sollte dies sich verstärken, sind, wie bei fast allen Parkinson-Medikamenten, auch Zustände mit Verfolgungs- und Vergiftungsideen möglich. Bei einigen Patienten führt die Einnahme von Dopaminagonisten zu einem Abfall des Blutdrucks, was die meisten Patienten entweder als Müdigkeit oder auch als Schwindel und „Schwarzwerden vor Augen“ wahrnehmen. Selten werden unter der Einnahme von Dopaminagonisten auch, ähnlich wie bei L-Dopa, Veränderungen von Verhaltensweisen bei Parkinson-Patienten beobachtet. Es gibt Patienten, die eine vermehrte, vorher nicht gekannte Neigung zu Glückspiel und „ungezügeltem Shopping“ bemerken oder deren Lust auf Sex erheblich gesteigert sein kann.
Die Dopaminagonisten können in zwei Gruppen unterteilt werden: Die vom Mutterkornalkaloid abstammenden „Ergot-Dopaminagonisten“ und die „nicht-ergot-Dopaminagonisten“. Trotz einer oft exzellenten Wirkung auf die Parkinson-Symptomatik und guter Verträglichkeit sind leider die sogenannten „Ergot-Dopamin-Agonisten“ mehr oder minder mit Herzklappenveränderungen in Zusammenhang gebracht worden. Das tatsächliche Ausmaß dieses Zusammenhangs ist momentan Gegenstand zahlreicher Studien. Trotzdem sollten bei den derzeit noch vereinzelt verschriebenen Ergot-Dopamin-Agonisten Cabergolin (Cabaseril®) und Pergolid (Parkotil®) regelmäßig eine Ultraschalluntersuchung vom Herz und eine Röntgenuntersuchung der Brust durchgeführt werden, um Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Bei jungen Patienten ist trotz der guten Wirksamkeit wegen der beschriebenen Nebenwirkungen der Einsatz von Ergot-Dopamin-Agonisten in den Hintergrund getreten. Lediglich für Patienten mit ausgeprägten Nebenwirkungen unter den non-ergot Dopaminagonisten sollten die Ergot-Dopaminagonisten ernsthaft und unter Kontrollen erwogen werden.
Im Folgenden soll noch einmal kurz auf die unterschiedlichen derzeit am häufigsten verschriebenen Dopaminagonisten eingegangen werden.
Der Dopaminagonist Pramipexol (Sifrol®) ist ein in der Regel gut verträglicher Dopaminagonist, der neben einer guten Verbesserung von Zittern, Unterbeweglichkeit und Steifheit auch bei vielen Patienten eine Verbesserung der Stimmung mit sich bringt. Nach etwa einem halben Tag (8-12h) ist von einer Tablette Pramipexol die Hälfte ausgeschieden, daher nehmen die meisten Patienten drei Tabletten pro Tag ein. Die Nebenwirkungen der Tablette entsprechen den anderen Dopaminagonisten. Seit einigen Jahren sind auch retardierte Pramipexol Präparate in Deutschland erhältlich. Diese werden nur Morgens eingenommen, wenn auch viele Patienten bei einer Einnahme am Morgen und am Abend von guten Effekten berichten. Die Wirkung von retardiertem Pramipexol scheint in der klinischen Praxis hinter der Wirkung von unretardiertem Pramipexol zurückzubleiben. In diesen Fällen ist bei Umstellung mitunter eine Dosissteigerung notwendig.
Der Dopaminagonist Ropinirol (Requip®, Requip modutab® und Generika) ist ein ebenfalls recht gut verträglicher Dopaminagonist mit einer guten Wirkung auf die Hauptbeschwerden der Parkinson-Erkrankung. Der Wirkstoff aus der Tablette wird rasch in den Körper aufgenommen und nach etwa 3-6 Stunden ausgeschieden, was dazu führt, dass man die herkömmlich Tablette dreimal täglich einnehmen sollte. In einer seit dem Frühjahr 2008 in Deutschland erhältlichen Tablette wird die Wirksubstanz nur langsam aus der Tablette abgegeben: Eine sogenannte „retardierte Freigabe“ (Requip modutab®). Diese Art der Tablette scheint bei vielen Patienten neben einer guten und gleichmäßigen Wirkung auf die Beschwerden durch den ganzen Tag und die Nacht auch weniger Nebenwirkungen, als die herkömmliche Tablette zu haben. Nebenwirkungen bei Ropinirol, wie Übelkeit, Einschlafattacken und Halluzinationen entsprechen etwa denen der anderen Dopaminagonisten.
Ein seit Ende 2007 in Deutschland verfügbarer, ebenfalls mit einer langsamen Freigabe in „retardierter Form“ ausgestatteter Dopaminagonist ist Pirebedil (Clarium®). Die Wirkung dieses Agonisten ist ähnlich wie bei bei Pramipexol und Ropinirol in Bezug auf Wirkung und Nebenwirkungen einzuschätzen. Momentan ist mit 50mg nur eine Tablettenstärke vorhanden, was eine einfache Handhabung im Alltag ermöglicht. Im klinischen Alltag und in ersten Studien zeichnet sich ab, dass Knöchelschwellungen und Tagesmüdigkeit unter Pirebedil im Vergleich zu anderen Dopaminagonisten reduziert sind.
Ein anderes Wirkprinzip verfolgt der Dopaminagonist Rotigotin (Neupro®, Leganto®). Dieser wird nicht in Tablettenform eingenommen, sondern über ein Pflaster auf der Haut in den Körper abgegeben. Der Vorteil liegt darin, dass der Wirkstoff gleichmäßig aufgenommen wird, ohne dass Probleme im Bereich von Magen und Darm die Medikamentenwirkung abschwächen können. Damit ist auch bei Schluckstörungen oder im Rahmen von Operation eine gute und gleichmäßige medikamentöse Therapie gegeben. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass das „Parkinson-Pflaster“ selber zu Reizungen der Haut führt, welche selten zu einem Abbruch der Therapie führen können.
Ein weiterer Dopaminagonist, der gerade in den späten Phasen der Erkrankung zunehmend angewendet wird, ist Apomorphin. Apomorphin wird jedoch, wenn man es schluckt, kaum vom Körper aufgenommen und ist daher für eine Gabe unter die Haut (subcutan) mit einer Spritze oder einer Pumpe in Verwendung. Auf diese Anwendung wird an anderer Stelle eingegangen.
3.6. Monoaminooxidase-Hemmer
Derzeit sind in Deutschland zwei Monoaminooxidase-Hemmer erhältlich: Selegilin (Movergan®, Xilopar®) und Rasagilin (Azilect®). Beide wirken über die Blockade eines Abbauweges von Dopamin bzw. bei Patienten auch L-Dopa im Gehirn. Damit steht mehr wirksames Dopamin zu Verfügung.
Bei beiden Substanzen wurde bereits lange im tierexperimentellen Bereich diskutiert, ob neben einer moderaten Wirkung auf die Beschwerden von Parkinson-Patienten auch eine Veränderung im Fortschreiten der Erkrankung erzielt werden kann. Im klinischen Bereich ließ sich dies für Selegilin nicht ohne Zweifel bestätigen. Wohl scheint aber ein günstiger Effekt insbesondere bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung durch Selegilin zu erzielen zu sein. Die Wirkung von Rasagilin auf die Parkinson-Beschwerden sind ebenfalls leicht bis moderat. Interessanterweise zeigt sich jedoch für die Therapie mit 1mg Rasagilin ein verzögertes Voranschreiten der Parkinson-Symptomatik (Adagio-Studie). Dieser Effekt konnte für 2mg nicht gezeigt werden, obwohl beide Dosierungen der Beschwerden der Patienten im gleichen Maß verbessern. Diese derzeit sehr neuen Erkenntnisse legen nahe, dass eine frühe Therapie von Parkinson-Patienten mit dem neuen MAO-B-Hemmer Rasagilin eine positive Beeinflussung des Fortganges des M. Parkinson mit sich bringen könnte.
Eine seltene, aber mitunter heftige unerwünschte Wirkung von MAO-B-Hemmern ist die Blockade des Abbaus von Tyramin. Dieser Stoff kommt in einer Reihe von Lebensmitteln wie z.B. Wurst, Chianti und gereiftem Käse vor. In seltenen Fällen kann, wenn von diesen Nahrungsmitteln viel verzehrt wird, dies zu Blutdrucksteigerung und einer ansteigenden Herzfrequenz führen. Eine ebenfalls seltene Wechselwirkung ist mit Medikamenten gegen Depressionen (z.B. Fluoxetin) beschrieben, weswegen nicht empfohlen wird, diese gleichzeitig einzunehmen. Bisher hat sich ein ursprünglich geäußerter Verdacht nicht erhärtet, dass die Einnahme von Rasagiline zu einem vermehrten Auftreten von Hauttumoren führt.
Nach den DGN Leitlinien von 2012 wird bei Patienten mit einer milden Parkinson-Symptomatik bei Diagnose empfohlen, eine Therapie mit einem MAO-Hemmer zu erwägen. Vorsicht geboten ist bei Patienten mit Herzproblemen und der Gabe von Selegilin. Dies scheint im klinischen Alltag bei Patienten unter der Therapie von Rasagilin weniger häufig zu sein.
4. Mono- und Kombinationsbehandlung
Die medikamentöse Therapie von Patienten mit M. Parkinson muss eine Vielzahl von teilweise sehr ausgeprägten Symptomen kontrollieren. Dies gelingt meist nur in der Anfangsphase mit einem einzigen Medikament. Wegen der schnellen Ausscheidung der Medikamente aus dem Körper ist zudem oft eine mehrfache Einnahme über den Tag notwendig. Ziel muss daher die Besserung der für den einzelnen Patienten im Vordergrund stehenden Beschwerden unter Berücksichtigung der unerwünschten Wirkungen der Medikamente sein.
5. Neuroprotektion und Behandlung im Frühstadium
Bedauerlicherweise sind derzeit noch die Ansätze, Nervenzellen im Gehirn vor dem Untergang im Rahmen des Voranschreiten M. Parkinsons zu hindern von nur geringem Erfolg. Dennoch sind die neuen Studiendaten zu der medikamentösen Therapie mit dem MAO-B-Hemmer Rasagilin in der Frühphase des M. Parkinson ermutigend und bieten erstmalig die Möglichkeit, die Erkrankung in ihrem Verlauf positiv zu beeinflussen. Die Empfehlungen für die Frühtherapie des M. Parkinson gehen momentan dahin, bei Patienten unter 70 Jahren zunächst einen Dopaminagonisten einzusetzen. Patienten unter 70 mit milder Symptomatik sollten einen MAO-B Hemmer erhalten. Patienten unter 70 Jahren, bei denen ein rascher Behandlungserfolg wichtig erscheint (z.B. um wieder im Beruf arbeiten zu können) können auch zunächst mit einer Therapie mit L-Dopa starten. Bei den meisten Patienten wird man dann sinnvollerweise langfristig die Therapie auf einen Dopaminagonisten umstellen.
Bei Patienten älter als 70 Jahre sind die Langzeitfolgen von L-Dopa nicht wesentlich zu befürchten, so dass hier eine Kombination aus L-Dopa und einem Dopaminagonisten sinnvoll ist. Ebenso kann auch, gerade in der Frühphase bei einer milden Erkrankung, die Gabe eines MAO-B-Hemmers guten Erfolg bringen. Entgegen der bisherigen Praxis, dass Patienten erst dann therapiert werden sollten, wenn schwere und behindernde Beschwerden im Alltag vorliegen, sind sich die meisten Experten inzwischen einig, dass eine Therapie bereits bei den ersten Beschwerden sinnvoll ist.
6. Behandlung des fortgeschrittenen Parkinson-Syndroms
Im fortgeschrittenen Stadium der Parkinson-Erkrankung ist ein sorgfältiges Abstimmen von einer Kombination aus unterschiedlichen Medikamenten notwendig. In der Regel ist neben der Einnahme eines Dopaminagonisten auch zusätzlich noch die Einnahme von L-Dopa, oft in Kombination mit einem MAO-Hemmer und einem COMT-Hemmer notwendig. Da in diesem Krankheitsabschnitt die Medikamente oft nur noch recht kurz wirken sind oft viele über den Tag verteilte Einnahmen von Medikamenten notwendig. In diesem späteren Stadium klagen viele Patienten zudem über einen ständigen Wechsel zwischen Zeiten der guten Beweglichkeit, Zeiten mit Überbewegungen und Zeiten mit sehr schlechter Beweglichkeit. Daher ist ein wesentlicher Grundsatz der Therapie in diesem Krankheitsabschnitt eine möglichst gleichmäßige Wirkung der Medikation über den Tag zu erzielen. Weitere Schwierigkeiten entstehen bei Patienten mit Störungen von Konzentration und Gedächtnis, einer sogenannten „dementiellen Entwicklung“. Bei diesen Patienten führen viele der genannten Medikamente zu Halluzinationen, was eine neue Anpassung der Medikation mit weniger Anteilen an Dopaminagonisten und Amantadin notwendig macht. Ein Segen für viele Patienten in diesem Krankheitsstadium in der Einsatz von Pumpen und der Tiefen Hirnstimulation. Neue beeindruckende Ergebnisse zum frühen Einsatz der Tiefen Hirnstimulation bei jungen Parkinson Patienten (EARLY-STIM) legen nahe, dass bereits bei ersten motorischen Komplikationen wie dem Wearing Off oder anderen ersten Fluktuationen eine Tiefe Hirnstimulation vielen Patienten eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität bringen kann.
von Prof. Dr. Lars Timmermann,
Neurologie, Uniklinik Köln
Dies ist ein aktualisierter Auszug aus dem Buch: „M. Parkinson: Leben mit einer Krankheit“, Clarigo Verlag
Erhältlich über die Deutsche Parkinson-Vereinigung Stand 04/2013
Anschrift des Verfassers: Univ.-Prof. Dr. med. habil.Lars Timmermann
Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie Sprecher Kölner Parkinson Netzwerk Leiter AG Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation
Leiter der Klinischen Forschergruppe 219 (DFG) Klinik und Poliklinik für Neurologie Universitätsklinikum Köln
Kerpener Str. 62, 50924 Köln
1. Behandlungsziel und –zeitpunkt
Die Parkinson Krankheit ist eine Erkrankung des Nervensystems bei der eine Reihe von unterschiedlichen Nervenzellen im Gehirn schneller sterben als beim normalen Altern. Eine wesentliche Gruppe von Nervenzellen, die dabei zugrunde gehen, sind Zellen in einer Hirnregion, die wir als Substantia nigra bezeichnen und deren Aufgabe ist, den Botenstoff Dopamin herzustellen. Damit fehlt dieser Botenstoff bei Patienten mit M. Parkinson bereits im Frühstadium der Erkrankung. Der Verlust von weiteren dopamin-produzierenden Zellen im weiteren Verlauf der Erkrankung kann bedauerlicherweise den Mangel an Dopamin noch weiter verstärken. Normalerweise wird Dopamin von den herstellenden Nervenzellen wohldosiert und in einer gleichmäßigen Menge an die Empfängerzellen in einer anderen Hirnregion, dem Striatum weitergegeben. Daher verfolgt die moderne Therapie des M. Parkinson im Wesentlichen zwei Ziele:
- Der Mangel an Dopamin sollte vorsichtig und möglichst gleichmäßig bereits im Frühstadium ausgeglichen werden, bevor dieser Mangel negative Folgen im Gehirn anrichten kann.
- Sofern möglich, sollte versucht werden, das weitere Sterben von Nervenzellen zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Ein langfristiges Ziel der Therapie der Zukunft wäre eine Wiederherstellung der Zellen. Dies ist momentan leider noch nicht möglich.
Entscheidend in der Frage nach der „richtigen Behandlung“ ist die Berücksichtigung des individuellen Patienten mit seiner medizinischen Vorgeschichte, seinem Alter, seinem Alltag, seinen weiteren Medikamenten und seinen individuellen Beschwerden. Die Therapie muss daher auf jeden Patienten und seine sehr individuelle Lebenswelt angepasst werden. Da die Erkrankung bedauerlicherweise nach wie vor voranschreitet, ist auch eine Anpassung der Therapie mit zunehmender Verschlechterung der Beweglichkeit notwendig: Was in der Vergangenheit gut gewirkt hat, wird in der Zukunft nicht mehr ausreichen, um allen Beschwerden gerecht zu werden. Die moderne Therapie stellt deswegen den Patienten, seine Lebensqualität und seine aktuellen Beschwerden in den Mittelpunkt.
2. Einflussfaktoren auf die Therapie
Die unterschiedlichen Therapien des M. Parkinson sind alle den Einflüssen des Alltags unterworfen. Viele Patienten bemerken, dass z.B. Aufregung, Trauer oder Wut zu einem deutlich schlechteren Wirken der Medikation führen. Natürlich haben aber eine veränderte Aufnahme von Medikamenten in das Blut und eine veränderte Verstoffwechselung von Medikamenten ebenfalls eine unterschiedliche Wirkung zur Folge. Gerade bei Patienten mit Störungen im sogenannten „autonomen Nervensystem“ ist die Verdauung von Medikamenten in Magen, Dünndarm und Dickdarm verzögert und verlangsamt. Dies ist ein wichtiger Grund, wieso Medikamente teilweise nur verzögert und unzureichend wirken. Ein weiterer häufiger Grund für eine schlechte Wirkung ist die zeitnahe Einnahme von L-Dopa und Lebensmitteln, in denen viel Eiweiß vorhanden ist. Das Medikament L-Dopa nimmt den gleichen Weg in das Gehirn wie die Eiweiße, die z.B. in Milchprodukten vorhanden sind. Wenn nun zeitgleich z.B. ein Glas Milch und eine Tablette L-Dopa eingenommen wird, dann ist durch die Eiweiße in der Milch die Aufnahme von L-Dopa in das Gehirn wie geblockt und die Wirkung der Tablette bleibt aus. Leider gibt es auch seltene Wechselwirkungen zwischen Medikamenten für Bluthochdruck, Depression oder andere Erkrankungen mit Parkinson-Medikamenten. Diese sollten sorgfältig v.a. bei einer Neueinnahme eines Parkinson-Medikaments vom verschreibenden Neurologen berücksichtigt werden. Oft muss hier noch einmal z.B. der mitbehandelnde Kardiologe nach seiner Einschätzung gefragt werden.
3. Medikamentengruppen
Die medikamentöse Therapie des M. Parkinson hat in den letzten drei Jahrzenten dramatische Fortschritte gemacht und dazu geführt, dass die Lebenserwartung bei gut therapierten Patienten nicht mehr relevant verkürzt ist. Aus dieser positiven Entwicklung resultiert jedoch, dass eine große Anzahl unterschiedlicher Präparate verfügbar sind, die oft mit viel Mühe und Probieren für den einzelnen Patienten ausgesucht werden müssen. Die in dieser Abhandlung geschilderten Vorgehensweisen entsprechen den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie aus dem September 2012 (Eggert, Oertel, Reichmann et al. 2012, erhältlich kostenlos online unter www.dgn.org/Leitlinien).